Die militärische Lage vor allem in der Ostukraine ist angespannt. Russland rückt immer weiter auf ukrainischem Territorium vor. Gab es zu Beginn des Krieges noch Erfolge auf ukrainischer Seite, wie etwa die erfolgreiche Verteidigung von Kiew oder das Zurückdrängen russischer Truppen im Süden des Landes sowie im Donbass, so ist der Krieg nach Einschätzung von Dr. Ulrich Kühn mittlerweile zu einem Abnutzungskrieg zugunsten Russlands geworden.
Im Podcast „Streitkräfte und Strategien“ auf NDR Info spricht der Leiter des IFSH-Forschungsbereichs Rüstungskontrolle und Neue Technologien über die hohen menschlichen Kosten, die nach zweieinhalb Jahren Krieg zu beklagen sind und was seiner Einschätzung nach von einer Verhandlungslösung zu halten ist. Als Friedensforscher, sei es erschreckend zu sehen, wie viele Soldaten an der Front stürben und in welchem Ausmaß Russland zivile Ziele in der Ukraine angreife. Angesichts des menschlichen Leids sei es verständlich, Verhandlungen zu fordern. Die Voraussetzungen dafür seien jedoch genauso unklar wie die möglichen Folgen, erläuterte Kühn. Der Westen habe es versäumt, seine Ziele und Siegbedingungen zu definieren. Das Maximalziel einer vollständigen Befreiung der Ukraine erscheine heute unwahrscheinlich. Die Ukraine sei militärisch personell und materiell nicht gut aufgestellt. Wenn Russland davon überzeugt wäre, dass es nur noch wenige Monate oder vielleicht ein Jahr Krieg führen müsste, um die Ukraine militärisch in die Knie zu zwingen, wäre eine Verhandlungslösung unwahrscheinlich. Es müsse auch reflektiert werden, wie ein Waffenstillstand aussehen und abgesichert werden könne. Es sollte zudem darüber nachgedacht werden, ob Staaten des globalen Südens wie Brasilien, Indien oder China mit an den Verhandlungstisch geholt werden sollten, um einen etwaigen Waffenstillstand abzusichern. Eine NATO-Mitgliedschaft der Ukraine hält Friedensforscher Kühn wiederum für unwahrscheinlich.
Die Folge „Zeit für Verhandlungen?“ (Tag 958 mit Ulrich Kühn) des Podcasts „Streitkräfte und Strategien“ auf NDR Info können Sie in der Mediathek des NDR nachhören.